„Selbstbestimmt aus dem Elternhaus ausziehen“, das ist für die meisten jungen Erwachsenen ein großer, aber normaler Schritt im Leben. Für Julia Boßmeyers KlientInnen ist das nicht ganz so einfach, denn sie sind in unterschiedlicher Weise geistig beeinträchtigt. Boßmeyer ist Leiterin des ambulant betreuten Wohnens „MittelPunkt“ der Diakonie Dortmund. In der Regel suchen ihre Mitarbeitenden die KlientInnen, die vielfach auch unter einer psychischen Erkrankung oder Suchterkrankung leiden, zu Hause auf und unterstützen sie nach Bedarf.
Vor einiger Zeit jedoch kamen sechs Elternpaare auf sie zu. Deren acht Kinder hatten gemeinsam die Christopherus-Schule für Seelenpflegebedürftige besucht und waren mittlerweile erwachsen. Nun sagten sich die acht FreundInnen: „Wäre doch voll cool, wenn wir mal zusammenwohnen würden.“ Einfach zu acht ein großes Haus anzumieten, kam für sie jedoch nicht in Frage, denn sie benötigen besondere Unterstützung im Alltag.
Doch die Eltern wollten ihren Kindern ermöglichen, ihren Wunsch umzusetzen, und wandten sich an „MittelPunkt“. Sie planten ein Haus zu bauen, das den Bedürfnissen ihrer Kinder entspricht. Zusammen mit der Diakonie wäre ein solches betreutes Wohnprojekt realisierbar.
Mittlerweile befindet sich das Gebäude an der Hochofenstraße im Bau und das Projekt hat einen Namen: „Heimspiel“. Die vorgesehenen drei Etagen sind bereits erkennbar. Im ersten und zweiten Obergeschoss sind die acht Appartements untergebracht. Im Erdgeschoss gibt es ein Büro und ein Bett für die Betreuungskräfte der Diakonie sowie ein Wohnzimmer „zum gemütlichen Beisammensein“ und eine Küche, „wo gemeinschaftlich gekocht werden kann, wenn man möchte“, sagt Boßmeyer.
Da die acht zukünftigen BewohnerInnen einen ähnlichen Tagesablauf haben, hat die Diakonie zunächst eine Betreuung in drei Schichten geplant. So müssen erfahrungsgemäß morgens einige „Motivationsgespräche“ geführt oder wettergerechte Kleidung empfohlen werden. Nachmittags soll ab 15.30 Uhr eine Betreuung vor Ort sein und bleiben, bis um 22 Uhr die Nachtbereitschaft eintrifft. Aber „wichtig ist, dass es eine selbstbestimmte Wohngemeinschaft ist“, betont Boßmeyer. So könne sie ihre KlientInnen zwar darauf hinweisen, dass ein Arbeitstag nach einer durchfeierten Nacht beschwerlich sein kann, aber niemandem verbieten, unter der Woche um fünf Uhr morgens nach Hause zu kommen.
Auch die Struktur der Appartements ist auf Selbstbestimmung ausgelegt. So stehen jeder Bewohnerin und jedem Bewohner etwa 45 Quadratmeter zur Verfügung, die auch ein kleines Badezimmer beinhalten. „Es soll ja auch jeder das Recht haben, zu sagen: ,Heute habe ich keine Lust auf die Gemeinschaft’“.
„Das Projekt Heimspiel ist die Zukunft“, sagt Boßmeyer. Denn laut Bundesteilhabegesetz sollen „Menschen mit wesentlichen Behinderungen“ ab dem Jahr 2020 „freier entscheiden können, wo sie leben wollen und von wem sie Leistungen in Anspruch nehmen“. Entsprechend sieht Boßmeyer die Diakonie als „Dienstleister, der die ambulante Betreuung vor Ort übernimmt“, wenn die Appartements im April bezugsfertig sind.
Zur Umsetzung von „Heimspiel“ benötigt die Diakonie noch drei Fach- und 3 Ergänzungskräfte sowie Nachtbereitschaften.
Die Stellenausschreibungen sind unter www.diakoniedortmund.de zu finden.